Gestern erlebte ich einen Albtraum. Nach zwei Tagen Sonnenschein, der meinen Autopiloten über das Solarpanel mit Strom versorgte, konnte ich endlich ohne Unterbrechung steuern. Für sechs Tage war ich praktisch ununterbrochen am Steuer, was äusserst anstrengend war. Auf der Route du Rhum Regatta waren es nur noch 400 Meilen bis zum Ziel, was mental einfacher zu bewältigen war. Aber diesmal, 1300 Meilen vom Ziel entfernt, befand ich mich in einer sehr schwierigen Lage. Auf der Route du Rhum Regatta wusste ich, dass ich es einfach schaffen würde, wenn ich nur weitersegelte.
Oliver Heer (Oliver Heer Ocean Racing) auf seiner IMOCA Trainingsfahrt vor der Transat CIC und die Havarie.
Mitten in der Nacht, bei etwa 38 Knoten Wind, segelte ich vor dem Wind mit Grosssegel und J2. Alles lief gut, bis der Autopilot plötzlich eine ungeplante Halse einleitete. In diesem Moment wurde das Boot von einer grossen Welle getroffen, was zu einer dramatischen Kenterung führte. Mein Boot lag bei einem Neigungswinkel von 128 Grad. In diesem Chaos erlebte ich einen totalen Stromausfall. Es war 3 Uhr morgens, der Wind blies mit 40 Knoten und ich wurde durch das Innere des Bootes geschleudert, was zu einer stark geprellten Schulter und einem schmerzenden Nacken führte.
Die ersten 24 Stunden danach waren eine absolute Krisenbewältigung. Ohne Strom musste ich irgendwie die Segel sicher bergen. Der Furler der J2 war kaputt, was das Bergen extrem erschwerte, und es gab erhebliche Schäden am Boot.
Nach ein oder zwei Tagen der Erholung konnte ich ein grundlegendes elektrisches System aufbauen, um die wichtigsten Dinge mit Hilfe der Solarzellen zu betreiben. Mit Sonnenlicht konnte ich die nötigsten Geräte wie Satcomms und den grundlegenden Autopiloten betreiben und GRIB-Dateien (Anmerkung Lagoo: Wetter-Daten) herunterladen. Doch auf den Grand Banks war es grau, neblig und miserabel. Die ersten Tage konnte ich kaum etwas tun. Ohne AIS befand ich mich in einer Schifffahrtsstrasse und sah Schiffe um mich herum, was sehr beunruhigend war. Anmerkung Lagoo: AIS ist ein Automatisches Identifikationssystem das in der Nautik verwendet wird. Schiffe sehen sich so auf dem Kartenplotter/GPS. Grosse Frachtschiffe sind auf offener hoher See praktisch Blind und übersehen gerne mal eine im Vergleich mikrig kleine Segel Yacht. Solche Unfälle sind absolut lebensbedrohlich. Wohl einige der auf See vermissten Segler gehen auf das Konto; von einem Frachter überfahren worden und niemand hat es bemerkt.
Normalerweise bin ich ziemlich widerstandsfähig, positiv und kreativ, aber dieses Mal wusste ich nicht, was ich tun sollte. Die restlichen 1300 Meilen schienen unüberwindbar. Dann sprach ich mit Dr. Wolfgang Jenewein, der mir riet, die Situation zu akzeptieren und meine mentale Energie zu schonen. Er sagte: "Oli, du musst diesen Mist umarmen/akzeptieren, anders verschwendest du deine mentale Energie, die du dringend benötigst. "Ich schrieb diesen Rat (Embrace this shitt) an die Wand des Bootes und begann, Prioritäten zu setzen und die dringendsten Aufgaben abzuarbeiten.
Nach dem Vorfall herrschte absolutes Chaos, und es war überwältigend, alle Aufgaben und Probleme zu lösen. Dr. Jenewein empfahl, sich auf die wichtigsten Dinge zu konzentrieren: Trinkwasser herstellen, Satcomms in Gang bringen, das Boot trockenlegen und die Segel sichern. Stück für Stück arbeitete ich die Aufgaben ab, und mit jedem erledigten Punkt wurde es realistischer, das Rennen zu beenden. Schliesslich sagte ich mir: "Oli, du hast ein Boot, das funktioniert. Du bist vielleicht nicht mehr im Rennen, aber es ist sicher genug, um die restlichen 1200 Meilen zu schaffen."
Das Boot hat viele Probleme, die in Newport behoben werden müssen. Zum Glück habe ich ein grosses Team hier und einen guten Freund aus England, der angeboten hat zu helfen. Mein Landteam kennt bereits alle Aufgaben, Elektriker sind bereit, und die Segelmacherei steht ebenfalls zur Verfügung. Ich bin zuversichtlich, dass ich am Start des Rückrennens bereit stehen werde, auch wenn ich nicht in einer konkurrenzfähigen Position bin. Wie bei diesem Rennen geht es bei der Vendée Globe-Qualifikation darum, die Meilen zu machen und das Ziel zu erreichen. Mit etwas Glück bin ich in zwei Wochen wieder auf dem Weg nach Europa.
Artikel entstanden aus der heutigen Meldung auf The Transat CIC sowie direkten Meldungen von Oliver Heer.